Partnerin mit Faible
Interview mit Dorothee Prosteder
Im Herbst 2010 erschien die erste Brand New(§). Zum Auftakt interviewten wir Dr. Dorothee Prosteder, die damals als Associate in der Corporate-Gruppe unseres Frankfurter Büros arbeitete. Heute wirkt sie als Partnerin vom Münchner Büro aus. Wir sprachen mit ihr darüber, wie ihre Karriere seit unserem letzten Gespräch verlaufen ist, über die Freude an komplexen Fällen und die Herausforderungen im Restrukturierungsgeschäft und was sie der nächsten Generation von Juristen mitgeben möchte.
Frau Prosteder, als wir unser erstes Brand New(§) Interview führten, waren Sie Associate, heute sind Sie Partnerin. Was hat sich geändert?
Als Partnerin habe ich einerseits eine höhere unternehmerische Verantwortung und werde im Markt aufgrund meiner Position und Seniorität anders wahrgenommen. Während ich als Associate weitgehend Mandate von meinem Mentor, Florian Kästle aus dem Frankfurter Büro und später von Udo Henkel aus dem Münchner Büro, bekam, trage ich heute als Partnerin die Verantwortung dafür, Mandate zu akquirieren. Andererseits sehe ich die beiden Positionen gar nicht so isoliert voneinander. Auf meinem Weg vom Associate zur Partnerin baut vieles aufeinander auf, eines ergibt sich aus dem anderen. Was ich als Associate gelernt habe, brauche ich als Partnerin noch genauso. Die Kontakte des eigenen Netzwerks zu Associate-Zeiten wachsen mit und werden selbst zu Entscheidern.
Was war bislang Ihr schönstes Erfolgserlebnis in der Kanzlei?
Spontan kommt mir in den Sinn: Partnerin zu werden. Das war 2014, ich war damals seit neun Jahren in der Kanzlei. Besonders freute ich mich, dass ich in einer Zeit zur Partnerin gewählt wurde, als ich bereits Mutter war. Mein erstes Kind war damals anderthalb Jahre alt, ich arbeitete, wie auch heute, zu 80 Prozent in Teilzeit. Aber es gibt darüber hinaus viele weitere Mosaiksteine in
meiner Karriere, zum Beispiel, dass ich über die letzten elf Jahre hinweg mit meinen Mandanten eine langfristige, vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt habe. Oder dass ich meine Expertise im Corporate- und Restrukturierungsbereich ausbauen konnte. Heute leite ich zusammen mit unserem Berliner Corporate-Partner Holger Ellers die deutsche Restructuring & Insolvency Praxis. Das ist noch einmal eine ganz andere Facette meiner Arbeit, die mir sehr viel Spaß macht.
Was genau fasziniert Sie am Bereich Restructuring & Insolvency?
Bereits seit Unizeiten interessiert mich diese Thematik auch wegen ihrer Komplexität. Meine Dissertation schrieb ich über ein insolvenzrechtliches Thema an der Schnittstelle zur Rechnungslegung (Überschuldung). Das Insolvenzrecht hat intensive Berührungspunkte zu den Financials. Man muss zum Beispiel bestimmen, welche Maßnahmen zu treffen sind, damit die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens beseitigt wird. Verträge gestaltet man mit Blick darauf, dass sie insolvenzfest sind. Restrukturierungsmaßnahmen sind mit Blick auf die durch den Gläubigerschutz gezogenen
Grenzen zu gestalten. Dass man in dieser Branche mit
ihren etablierten Beziehungen Fuß fast, erfordert
Ausdauer. Inzwischen bin ich auch Vortragende auf struktierungstagungen,
zum Beispiel im April 2017 auf der Handelsblatt-Tagung Restrukturierung & Insolvenz
in Frankfurt und im Juni 2017 auf dem EIRC (European
Insolvency and Restructuring Congress) in Brüssel.
Daneben schreibe ich auch an Kommentaren mit, wie
zum Beispiel aktuell an der Beck-online Kommentierung
zur Insolvenzordnung (§§ 39, 44a, 135 InsO).
Was braucht es, um in Ihrem Bereich erfolgreich zu sein?
Es ist kein Klischee: Neben juristischem Wissen im
Gesellschafts- und Insolvenzrecht muss man Biss und
Ausdauer mitbringen. Die Arbeit ist sehr fordernd,
man muss zwischen Parteien vermitteln und ihre
gegensätzlichen Interessen in Einklang bringen. In „heißen" Phasen wird auch mal die Nacht zum Tag, da
braucht man Durchhaltevermögen. Außerdem muss
man als M&A-Anwalt ein wirtschaftliches Verständnis
mitbringen und ein Grundverständnis für Rechnungslegungsthemen haben. Neben all dem darf man eines
nicht vergessen: die Freude an der Arbeit, an komplexen
Fällen. Ohne die geht es in diesem Beruf nicht, wenn
man gut sein will.
Sie sind zweifache Mutter. Wie schaffen Sie den Spagat
zwischen Beruf und Familie?
Eines vorweg: Es ist tatsächlich manchmal eine Herausforderung,
Beruf und Familienleben unter einen Hut
zu bringen. Aber es ist machbar, wenn man es gut
organisiert, man muss flexibel sein und auch eine gewisse
Kreativität mitbringen. Nach der Geburt meiner
Kinder stieg ich fünf bzw. drei Monate später wieder
in den Job ein. Beide Male hatte ich zunächst keinen
Krippenplatz, sondern engagierte eine vertrauensvolle
Kinderfrau. Das klappte gut. Heute habe ich ein verlässliches
Netzwerk von Personen, die meine beiden Kinder betreuen, wenn ich im Büro bin – die Kinderfrau, Erzieherinnen im Kindergarten und meine Schwiegereltern. Wichtig finde ich, dass die Kinder feste Bezugspersonen
haben. Im Berufsleben bin ich nach meinem
Selbstverständnis Anwältin und Mutter und vermittle das auch. Wenn mich abends, wenn ich zu Hause bin,
Mandanten anrufen und es im Hintergrund mal laut ist,
erkläre ich es kurz. Viele meiner Mandanten sind selbst
Vater oder Mutter und verstehen das, und oft eignet
sich das als Gesprächsaufhänger. Es ist also wie so
vieles im Leben: Es kommt darauf an, wie man an die
Dinge herangeht. Bei mir hat das bislang alles gut auf
diese Art und Weise funktioniert.
Drehen wir die Uhr zwölf Jahre zurück. Würden Sie
wieder bei Baker McKenzie einsteigen?
Ja, auf jeden Fall. Ich arbeitete eigenverantwortlich
von Anfang an, hatte eine Top-Ausbildung, die sehr
praxisnah war – und noch immer ist, Stichwort Partnertrainings
–, eigene Ideen und eigenes Engagement
werden geschätzt und gefördert. Dazu kommt ein
vielseitiges Aufgabengebiet und flache Hierarchien.
Außerdem ist Baker sehr international. Ich hatte früh
die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen, so wie ich zum
Beispiel mein Associate Training Program in Chicago
machte. Dort habe ich viel für meine Arbeit hier in
Deutschland gelernt und mitgenommen. Und ich hatte die Möglichkeit, für eine längere Zeit in ein anderes
Rechtssystem hineinzuschnuppern und Teamkollegen
aus dem Ausland kennenzulernen. Das erleichtert die
grenzüberschreitende Arbeit enorm. Bis heute spüre ich diese freundliche, ja freundschaftliche Atmosphäre in
unserer Kanzlei. Das alles zusammen macht Baker für
mich zur "First Choice".
Was möchten Sie der nächsten Generation von Juristen
mitgeben?
Unterschätzt Eure eigenen Fähigkeiten nicht und bleibt
Euch selbst treu. Das fängt schon beim Bewerbungsgespräch
an. Sagt ruhig Eure eigene Meinung und äußert
Eure Vorstellungen. Wer sich verstellt, der wird auch
später im Job nicht glücklich. Bleibt authentisch, auch
später im Beruf, bringt Eure eigenen Ideen ein. Das ist
wichtiger und bringt Euch und die Kanzlei viel weiter,
als wenn Ihr nur das ausführt, was bei Euch auf dem
Schreibtisch landet. Außerdem möchte ich der "Next
Generation" Mut machen, dass die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie in der Praxis funktionieren kann –
auch als Partner oder Partnerin. Sie ist keine Utopie,
wenn beide Seiten, Kanzlei und Anwalt, die Voraussetzungen mitbringen, dass das klappt.
Ein typischer Arbeitstag
Morgens
Nach einem gemeinsamen Frühstück mit den Kindern klingelt
unsere Kinderfrau an der Tür. Sie übernimmt meine Tochter
und ich bringe meinen Sohn in den Kindergarten.
Anschließend fahre ich ins Büro.
Ich arbeite an einem Mark-up für einen Unternehmenskauf aus der Insolvenz und sende ihn einem im Ausland ansässigen Mandanten.
Gemeinsam mit meiner Assistentin gehe ich die Rechnungen durch, die sie später an die Mandanten versendet. In Vorbereitung auf ein Treffen bei einem Münchner Unternehmen mit den Gesellschaftern auf Holding Ebene hat ein Associate der Corporate Gruppe eine Liste der offenen Punkte erstellt, die wir nun gemeinsam überarbeiten. Anschließend schickt er die Liste an den Mandanten.
Mittags
Beim Mittagessen tausche ich mich mit
einem Freund und Mitherausgeber des
Beck-OK InsO über eine Erweiterung
der von uns (Baker) kommentierten
Normen aus.
Nachmittags
Treffen mit den
Gesellschaftern eines
Münchner Unternehmens
auf Holding Ebene und den
steuerlichen Beratern der Gesellschaft
zusammen mit einem Associate
der Corporate Gruppe. Wir tauschen die
gegenseitigen Positionen aus und einigen
uns auf spezifische Änderungen an den
Gesellschaftsverträgen.
Abends
Mit meinem Associate-Kollegen bespreche ich, wie die Änderungen
umzusetzen sind, die wir mit dem Mandanten nachmittags erörtert
haben. Über den Nachmittag angekommene E-Mails arbeite ich ab.
Nachdem ich das Büro verlassen habe, fahre ich nach Hause. Meine Kinder freuen sich schon auf mich. Die Kinderfrau berichtet, was tagsüber passiert ist, während ich ein Abendessen zubereite. Zusammen mit meinen Kindern sitze ich am Esstisch und wir essen zu Abend. Anschließend lese ich ihnen vor und bringe sie zu Bett.
Wenn meine Kinder eingeschlafen sind, checke ich noch kurz meine
Mails. Ein Mandant hat mir zwischenzeitlich Unterlagen für den
gemeinsamen 9 Uhr-Termin am nächsten Tag geschickt. Diese
schaue ich durch und sende ihm meine Kommentare.
Einen Blick in die Nachrichten auf dem Ipad – danach gehe auch ich schlafen.
Jeder Tag ist ein bisschen anders. Ein typischer Arbeitstag kann so, wie oben skizziert, aussehen.