Interview mit Janet Butler


Frau Butler, 2001 sind Sie in unser Berliner Büro eingestiegen. Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Ihren Start zurückdenken?
Ganz klar: Das tolle Team in einem relativ kleinen, fast familiären Büro, Dr. Frank-Rainer Töpfer als Mentor, der mir vom ersten Tag an mit Rat und Tat zur Seite stand, und die Tatsache, dass ich von Anfang an auf spannenden Mandaten mitgearbeitet habe. Das hatte ich als Berufseinsteigerin nicht erwartet und freute mich umso mehr, von Anfang an mit Mandanten in Kontakt stehen zu können und an „vorderster Front“ mitberaten zu dürfen. Auch die bunte Mischung von öffentlich-rechtlichen Mandanten begeisterte mich – von Themen rund ums Fördermittelrecht bis zum Bau- und Planungs - recht. Und ich war von Anfang an in Due Diligences und Transaktionen involviert. Es war also der berühmte „Sprung ins kalte Wasser“, von der Theorie der Uni in die Praxis einer Wirtschaftskanzlei. Das alles gefiel mir auf Anhieb richtig gut.

Wussten Sie schon zu Studienzeiten, dass Sie als Anwältin im Öffentlichen Wirtschaftsrecht wirken möchten?
Ich habe mich nicht gleich festgelegt, wählte jedoch später Verwaltungs- und Umweltrecht als Schwerpunkte. Anschließend promovierte ich an einem zivilrechtlichen Lehrstuhl. Ich konnte mir damals schon gut vorstellen, ins Öffentliche Recht einzusteigen, weil das Rechtsgebiet so breit gefächert ist. Ein Bereich wie das Kapitalmarktrecht zum Beispiel wäre für mich zu eng, zu speziell. Ich hegte außerdem den Wunsch, in einer Kanzlei in Berlin zu starten, die weltweit aktiv ist und in der ich auf Mandaten mit internationalem Bezug arbeiten kann. So kam ich auf Baker, wo ich genau das vorgefunden habe. Heute betreue ich hochkarätige Mandanten, arbeite auch mit anderen Praxisgruppen zusammen und berate regelmäßig an der Schnittstelle zum Transaktions- und Vertragsrecht.

Haben Sie ein „Lieblingsmandat“, an das Sie heute noch gern zurückdenken?
Ja, sogar gleich zwei Mandate (lacht). 2015 berieten wir das Land Mecklenburg-Vorpommern bei zwei Planfeststellungsverfahren als Projektmanager. Hier ging es darum, dass der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz die Errichtung von mehreren Netzanbindungsleitungen plante, um Offshore-Windpark-Cluster in der Ostsee an das landseitige Höchstspannungsnetz anzubinden. Das Mandat lief über rund ein Jahr. Für unser Team war es spannend, als planungsrechtliche Spezialisten ein breites Spektrum von inhaltlichen Rechtsfragen zu behandeln und zugleich das Land als Planfeststellungsbehörde bei der Vorbereitung und Durchführung des gesamten Verfahrens zu beraten. Große Themen waren der Naturschutz und der Gebietsschutz. Ich beschäftigte mich mit einem Male mit Muscheln in der Ostsee und besonderen Steinformationen – eine Materie, mit der ich wohl sonst nie in Berührung gekommen wäre und die mir eine andere, ganz neue Sicht auf die Dinge eröffnete. Am Ende wurden die Planfeststellungsverfahren für das Projekt erfolgreich abgeschlossen, und unser Team hatte das Land dabei unterstützt, die Energiewende umzusetzen. Ende nächsten Jahres soll bereits die erste Leitung in Betrieb gehen.

Und Ihr zweites persönliches Highlight?
Das war wieder ganz anderer Natur, aber genauso prägend für mich: Wir haben das Land Niedersachsen 2007 beraten, seine psychiatrischen Krankenhäuser einschließlich Maßregelvollzug zu privatisieren. Ich kümmerte mich – abgesehen von der Beratung, das Verfahren nach Vergabe- und Beihilfenrecht durchzuführen – um die verfassungsrechtlichen Themen und darum, wie der Maßregelvollzug künftig ausgestaltet sein würde. Das war sehr herausfordernd. Es ging darum sicherzustellen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen auch im Klinikalltag der künftigen privaten Betreiber eingehalten werden. Wieder einmal tauchte ich in eine Lebenswelt ein, die mir bis dahin neu war – und die meinen Entdeckergeist geweckt hat. Neben der juristischen Arbeit ist es genau das, was ich an meinem Alltag so schätze: Immer wieder habe ich es mit Menschen aus unterschiedlichen Bereichen und Branchen zu tun, mit ganz unterschiedlichen Fragen an mein Team und mich. Das macht für mich den Reiz am Öffentlichen Recht aus.

Sie betreuten die Länder Niedersachsen und Mecklenburg- Vorpommern. Wie international ist Ihre Arbeit?
Ich betreue häufig internationale Mandanten mit Projekten in Deutschland. Die Arbeit erledige ich eher von unserem Berliner Büro aus. Manchmal kommt es vor, dass unsere internationalen Kollegen unsere Expertise nachfragen. So flog ich zum Beispiel zusammen mit einem Partner nach Bangkok, um vor Ort mit dem Team des thailändischen Mandanten die Vertragsverhandlungen für eine Transaktion in Deutschland vorzubereiten. Aber das kommt seltener vor. 2008 ging ich außerdem für sechs Monate in unser Londoner Büro, wo ich mein Associate Training Program machte. Ich war während dieser Zeit Teil der Major Projects Group, die große Infrastruktur- und Energieprojekte begleitet, und unterstützte die Kollegen in London, Verträge mit regulatorischem Hintergrund zu entwerfen. Aus dem halben Jahr in England habe ich jede Menge mitgenommen, zum einen, eine andere Jurisdiktion kennenzulernen, zum anderen, mein persönliches Netzwerk zu erweitern. International sind auch die europäischen Treffen unserer Energy, Mining & Infrastructure Praxis, wo wir in Metropolen in ganz Europa zusammenkommen, z.B. letztes Jahr in Stockholm, vor einigen Jahren sogar in Kiew. Insgesamt spielt es für mich jedoch weniger eine Rolle, von wo aus ich Mandate betreue, sondern vielmehr, dass sie inhaltlich interessant sind und sie auch im internationalen Kontext stehen.

Sie sind Anwältin und zweifache Mutter. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Beruf und Familie?
Kinder und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ist meines Erachtens immer eine Herausforderung. Bei mir klappt das recht gut, da ich eine zuverlässige Betreuung durch den Schulhort habe und mein Mann mir ebenfallsunter die Arme greifen kann. Dazu kommt, dass ich in Teilzeit arbeite, aktuell zu 70 Prozent – übrigens schon, bevor meine beiden inzwischen sechs und acht Jahre alten Jungs zur Welt kamen. Bereits bei meinem Einstieg hatte ich mich für ein flexibles Teilzeitmodell entschieden, da ich nach dem Büro gern noch genügend Zeit für meine Hobbies haben wollte. Heute ist es so, dass ich meine Kinder auch mal mit ins Büro nehme, falls ich doch einmal eine Lücke in der Betreuung habe. Dass das möglich ist, schätze ich sehr an unserer Kanzlei. Ich könnte auch im Homeoffice arbeiten (Anm. der Redaktion: siehe Kasten “bAgile“), aber ich bevorzuge die Infrastruktur unseres Büros.

Sie haben sich für die Counsel Position entschieden. Was macht für Sie diese Position aus? Und wo sehen Sie sich mittel- und langfristig in der Kanzlei?
Für Counsel spielt Akquise zwar auch eine Rolle, steht aber weniger im Vordergrund als bei Partnern. Daher habe ich als Counsel die Möglichkeit, mich im Schwerpunkt auf fachlich anspruchsvolle Mandatsarbeit konzentrieren zu können. Das ist gerade in meiner aktuellen Situation mit Teilzeit und Schulkindern ein wichtiger Vorteil. Mittelfristig sehe ich natürlich auch die Partnerschaft als Perspektive, will und muss mich dazu aber jetzt noch nicht festlegen. Das Karrieremodell unserer Kanzlei ist in dieser Hinsicht zum Glück durchlässig und lässt auch spätere Wechsel zwischen
den verschiedenen Modellen zu. Zurzeit durchlaufe ich unser neues einjähriges Programm “Career Guidance Scheme“. Es richtet sich an weibliche Senior Associates und Counsel der EMEA Region, im Fokus steht die individuelle Karrierebegleitung durch einen erfahrenen Partner (Guide). Alle Kandidatinnen, so auch ich, wurden in einem Talent Review Prozess ausgewählt. Das Programm beinhaltet unter anderem ein gezieltes Training, Networking, den internationalen Austausch, die Zusammenarbeit mit dem Guide und das Lernen von dem Guide, externes Coaching und Lernen auf dem virtuellen Campus, also e-Learning. Das Programm ist für mich in jeder Hinsicht eine sehr wertvolle Unterstützung für meinen weiteren Karriereweg.

Was möchten Sie der “Next Generation“ mitgeben, die aktuell Jura studiert?
Sammelt Erfahrungen im internationalen Umfeld. Das erleichtert Euren Einstieg in eine global agierende Wirtschaftskanzlei, in der Ihr nicht nur die englische Sprache beherrschen solltet, sondern in der Ihr auch mit Kollegen und Mandanten anderer Kulturkreise zusammenarbeitet. Ich selbst machte mein Referendariat u.a. in einer Kanzlei in San Francisco, das war sehr bereichernd. Seid mutig und probiert möglichst viel aus. Dann werdet Ihr ein Gespür dafür bekommen, welche Arbeit zu Euch passt.

Ein typischer Arbeitstag

 

Morgens
Nach dem gemeinsamen Frühstück mit meiner Familie begleite ich die Kinder zur Schule und gehe anschließend, wenn es die Zeit erlaubt, zum Yoga oder jogge durch den Tiergarten.

Im Büro erwartet mich meine heutige erste Telefonkonferenz mit Kollegen aus Frankfurt und London zur Vorbereitung eines Pitches für eine neue Transaktion im Infrastruktursektor.

Ein Kollege schickt mir eine spontane, eilige Anfrage zu einem energierechtlichen Thema. Ich lasse weniger dringliche Anfragen erst einmal liegen und unterstütze den Kollegen. Anschließend setze ich mich an einen Kaufvertrag, in dem meine öffentlich-rechtliche Expertise gefragt ist und den meine Kollegen aus dem M&A-Team im Rahmen einer großen Transaktion benötigen.

Mittags
Mittagessen mit Kollegen in einem der Restaurants in der Nähe des Büros.

Nachmittags
Ich führe eine weitere Telco mit einem international tätigen Mandanten, der eine fördermittelrechtliche Anfrage an uns hat. Anschließend setze ich dazu einen Schriftsatz auf.

In einer laufenden Transaktion schickt uns der Verkäufer weitere Informationen zu genehmigungsrechtlichen Fragen. Ich prüfe die Unterlagen und berate mich mit einem Kollegen aus dem M&A-Team, wie wir damit in den Kaufvertragsverhandlungen umgehen.

Gegen 16 Uhr verlasse ich das Büro, um meine Kinder vom Schulhort abzuholen. An meinen langen Bürotagen, an denen mein Mann das übernimmt, fahre ich gegen 19 Uhr den Rechner herunter.

Abends
Der Abend gehört meiner Familie und mir; ich versuche, ihn mir komplett frei zu nehmen. Wir erzählen uns, was tagsüber los war, spielen, lesen und kochen gemeinsam zu Abend.

Jeder Tag ist ein bisschen anders. Ein typischer Arbeitstag kann so, wie oben skizziert, aussehen.